Book Description
Der Faschismus des 20. Jahrhunderts hat die jüdische Kultur in Europa in ihrer ursprünglichen Form und Verbreitung weitgehend zerstört. Die Überlebenden brachten ihre Kultur in neue Umgebungen, wo sie teilweise wiederbelebt wurde. Auch die Sprachen fielen dem zum Opfer oder wurden im Zuge der Assimilation und Akkulturation aufgegeben oder zumindest durch die verschiedenen neuen Kontaktsituationen stark beeinflusst. Als in den 1950er Jahren absehbar war, dass viele Überlebende, die in den alten europäischen Territorien aufgewachsen waren, ihre Muttersprache nicht an ihre Kinder und Enkel weitergeben würden, erkannte Uriel Weinreich die Notwendigkeit und Chance, Sprache und Kultur dieser Sprecher systematisch zu dokumentieren. Im Rahmen seines Projekts 'Language and Culture Archive of Ashkenazic Jewry' (LCAAJ) sammelten 18 Interviewer zwischen 1959 und 1972 auf der Grundlage eines umfangreichen Fragebogens Interviews mit fast 1.000 Informanten. Das im Rahmen des LCAAJ gesammelte Material ist ein unerschöpflicher Fundus und die beste Quelle, die wir zu den historischen jiddischen Dialekten Mitteleuropas haben. Mit der Veröffentlichung der digitalisierten Kopien der schriftlichen Aufzeichnungen (Feldnotizen) durch die Columbia Libraries im Jahr 2018 wurden die Rohdaten des LCAAJ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zwischen 2017 und 2022 hat das Projekt 'Syntax of Eastern Yiddish Dialects' (SEYD) diese Feldnotizen im Hinblick auf syntaktische und auch morphologische Strukturen ausgewertet. Der vorliegende Band präsentiert eine Auswahl dieser Phänomene. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den empirischen Daten sowie deren Einbettung in einen (mikro)typologischen Kontext. Eine Vielzahl von Karten veranschaulicht die räumliche Dimension der grammatischen Variation in den ehemaligen europäischen jiddischen Dialekten.